In diesem Artikel erfahren Sie Einiges über Mobbing. Ich habe den Artikel geschrieben, da es viele Anfragen über Mobbing gab. Das Geschriebene beruht vielfach auf meinen Erfahrungen und stellt keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit oder Vollständigkeit. Am Ende dieser Seite finden sie Links zum Thema Mobbing. 

Die in diesem Artikel verwendete Bezeichnung „Kinder“,  bezieht sich auch auf Jugendliche.

Einleitung

Gewalterfahrungen und Mobbing gibt es statistisch gesehen (fast) in jeder Schulklasse. Mobbing in der Schule ist „kein individuelles, sondern ein soziales Phänomen". Durch die große Anzahl der SchülerInnen und durch mangelnde Kontrolle, wird Mobbing oft lange nicht sichtbar. Die Opfer schämen sich und geben sich selbst die Schuld, weshalb sie auch nicht darüber sprechen. Mobbing hat Auswirkungen auf die gesamte Gemeinschaft (Klasse). Die aktiven Täter lernen, dass Gewalt ein wirksames, toleriertes Mittel anderen Gegenüber ist. Die Zu- und Wegschauer erleben Hilflosigkeit gegenüber Gewalt, sie haben ein unangenehmes Gefühl, oftmals auch Unsicherheit und Angst. Das Vertrauen in die Gemeinschaft wird zerstört, wie auch das Gemeinschaftsgefühl. Die Autorität der LehrerInnen wird durch Mobbing untergraben, da sie als „AnführerIn“ die Schwächeren nicht schützen. Unruhe und Druck in einer Klasse nehmen zu.  

Über die Auswirkungen auf die Gemeinschaft schädigt Mobbing das Opfer nachhaltig. Es ist eine ernst zu nehmende Bedrohung für die physische und psychische Gesundheit dieser jungen Menschen. Oftmals treten Folgeerkrankungen erst im jungen Erwachsenenalter auf (Angsterkrankungen, Panikattacken, Depression), selbst wenn Mobbingerfahrungen schon lange zurückliegen. Mobbing kommt bei Jungen etwas häufiger vor und verläuft etwas anders, als bei Mädchen.

Mein Appell geht an alle Erwachsenen, die in irgendeiner Form mit diesem Thema zu tun haben. Werden Sie aktiv, treten Sie gegen Mobbing auf, helfen Sie eine Lösung im Sinne aller zu finden.

Was ist Mobbing

Schon immer wurden Kinder von anderen Kindern gequält. Das Wort „Mobbing“ gibt es seit den 60er Jahren. Es kommt aus dem Englischen und bedeutet “sich gegen Einzelne zusammenrotten“. Im englischsprachigen Raum wird das Wort heute kaum noch verwendet, dort spricht man von „Bullying“.

Als Kennzeichen für Mobbing können folgende Kriterien genannt werden:

o   Kräfteungleichgewicht: Ein einzelnes Mobbingopfer steht einem oder mehreren Täterinnen und MitläuferInnen gegenüber;

o   Häufigkeit: Die Übergriffe erfolgen mindestens einmal wöchentlich; Mobbing findet über einen längeren Zeitraum statt;

o   Konfliktlösung: Das Opfer kann die Situation (gemobbt zu werden) nicht selbst beenden, sondern benötigt dafür Hilfe von außen.

Die folgende Tabelle zeigt den Unterschied zwischen „normalen“ Konflikten und Mobbing:

 

„Normaler“ Konflikt

 

 

Mobbing

Beide Kinder haben ähnlich viel „Macht“.

Ein Kind hat deutlich mehr Macht (ist älter, stärker, beliebter usw.).

Der Konflikt war nicht geplant.

Eine Seite hat sich vorher überlegt, wie sie vorgehen will.

Die Beteiligten sind zufällig dabei.

Kinder werden gezielt ausgewählt.

Die Folgen sind (außer bei Unfällen) nicht schlimm.

Es kann zu ernsten Verletzungen kommen.

Bei Verletzungen sind alle Beteiligten emotional betroffen.

Verletzungen werden von den Verursachern meist nicht bedauert.

Es geschieht unregelmäßig.

Es geschieht wiederholt und regelmäßig.

Es geht um aktuelle Gefühle.

Es geht darum, sich selbst auf Kosten anderer Person aufzuwerten.

 

Mobbing wird begünstigt durch

o   Mangelnde Grenzsetzung durch Erwachsene;

o   Kinder haben gelernt, dass Macht notwendig ist, um sich durchzusetzen;

o   Kinder haben Probleme ihre eigenen Gefühle und die Gefühle anderer zu erkennen;

o   in der Gemeinschaft herrscht ein Gruppenzwang, Außenseiter und Schwächere werden ausgegrenzt.

o   Die Atmosphäre der jeweiligen Institution ist von Gewalt geprägt. Wenn es auf dem Schulhof jeden Tag zu massiven Streitigkeiten kommt, dann „normalisiert“ sich gewalttätiges Verhalten – es fällt nicht mehr auf;

o   die Betroffenen wissen nichts von Mobbing.

Ziel des Mobbing

ist es, das soziale Ansehen des betroffenen Kindes zu schwächen und es auszugrenzen. Dies kann erfolgen durch:

o   jemanden nicht beachten, nicht mitspielen lassen, ausgrenzen,

o   jemanden beleidigen (fiese Spitznamen geben etc.),

o   non-verbale Beleidigungen (Augen rollen, Gesten),

o   „Redeverbot“ auferlegen und anderen verbieten, mit der Person zu reden,

o   anschreien,

o   verspotten und imitieren (sich über das Aussehen, die Sprechweise etc. lustig machen),

o   bedrohen, Angst machen,

o   bei der Arbeit behindern (Heft wegnehmen, Stifte zerbrechen),

o   vor den LehrerInnen schlecht machen, verpetzen, auch Lügen erzählen,

o   Gerüchte verbreiten (gern über die Intelligenz, das sexuelle Verhalten oder angebliche Geheimnisse anderer Kinder).

o   treten, schlagen, schubsen, mit Sand bewerfen,

o   im WC einsperren, Stuhl wegziehen, Hose runterziehen,

o   erpressen (Kinder müssen Sachen hergeben, Geld zahlen oder erniedrigende „Dienste“ verrichten),

o   Einsatz von Internet oder Handys und Verbreitung von verunglimpfenden Inhalten (auch Übermittlung gefilmter Gewaltangriffe mit dem Handy an andere Jugendliche),

o   bestehlen,

o   Zerstörung von Eigentum,

o   Benutzung von Waffen usw.

Phasen des Mobbings

Anfangsphase mit ersten Anzeichen,wie:

o   Angst, Unbehagen, Verwunderung, Wut, Selbstzweifel („Warum ich, was mache ich falsch?“), Hilflosigkeit, Verwirrtheit, Scham, Schuldbewusstsein

Typische Gegenreaktionen sind:

o   Abwarten und auf Besserung hoffen; den Mobber zurückmobben; eine Gegenkampagne starten; sich anstrengen, dem Mobber zu gefallen und seine Forderungen erfüllen; sich abkapseln; sich als Opfer sehen; resignieren; die Situation leugnen („Ist ja gar nicht so schlimm …“).

Die anderen Kinder, die anfangs nur zugeschaut haben, sind froh, nicht selbst Opfer zu werden, ziehen sich vom betroffenen Kind zurück. Es fühlt, dass es immer stärker isoliert ist und nicht auf Hilfe zählen kann.

Hauptphase:

Die Symptome beim Betroffenen verschlimmern sich:

o   Gefühl des Verlassenseins, Isolierung, ständiges Grübeln, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, ununterbrochene Angst („Was passiert als Nächstes?“), Mut- und Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Abfall schulischer Leistungen, psychosomatische Erkrankungen (Kopfschmerzen, Magen-Darm-Irritationen, Hautausschläge u. a.), Veränderung der Persönlichkeit (das Kind wird misstrauisch, aggressiv, depressiv, gehässig oder Ähnliches, sodass andere vielleicht sogar denken: Kein Wunder, dass niemand das Kind mag!)

o   Regression (Kinder fühlen sich vermehrt schutzbedürftig, verfallen in kleinkindliche Verhaltensweisen (Daumenlutschen, Bettnässen,…)

o   Zwänge (Handlungen, die anfangs sinnvoll sein können, weil sie Sicherheit bieten, können sich verselbstständigen und zu einer Zwangshandlung (z. B. häufiges Aufs-WC-Gehen, Abzählen von Gegenständen, das Verrichten von Handlungen in einer stets wiederkehrenden Reihenfolge oder auch das Sammeln und Horten von Gegenständen) werden.

o   Nächtliche Ängste, Panikanfälle

o   Selbstmordgedanken.

Wer ist am Mobbing beteiligt:

Die meisten SchülerInnen einer Klasse wissen Bescheid, und jeder hat eine Rolle am Mobbing. Neben dem meist isolierten Opfer, gibt es ein bis zwei TäterInnen und mehrere aktive und passive MitläuferInnen, die sich in ZuschauerInnen und WegschauerInnen unterteilen.

Das Opfer

in der Literatur werden meist keine typischen körperlichen Merkmale für Opfer genannt. Körperlich eher schwächer als der Durchschnitt und Übergewicht erhöhen die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer zu werden, nur geringfügig.

Von der Persönlichkeit sind „Opfer“ meist sensibel, eher ängstlich, unsicher und unauffällig. Sie haben tendenziell weniger FreundInnen und werden im häuslichen Umfeld teilweise überbehütet. Aus meiner Erfahrung kann jeder zum Opfer werden (auch begabte junge, leistungsorientierte, sportliche und gut aussehend Menschen).

Reaktionen des Opfers

Mobbingopfer wehren sich gegen Übergriffe meist nicht bzw. ignorieren diese oder reagieren weinerlich und mit Rückzug. Sie machen sich oft selbst für das Mobbing verantwortlich, ganz nach dem Motto: „Mit mir stimmt doch etwas nicht!".

Infolgedessen schämen sie sich und erzählen nichts ihren Eltern. Manchmal fürchten sie auch, dass durch das Einweihen von Erwachsenen alles nur noch schlimmer wird (was leider tatsächlich oft der Fall ist), oder sie haben Angst nicht ernst genommen zu werden. Viele Betroffene wollen das Mobbing selbst nicht wahrhaben bzw. können nicht glauben, was da mit ihnen geschieht. Gerne wird auch versucht die Situation herunterzuspielen („Ist ja nicht schlimm.“).

Mögliche Auswirkungen des Mobbings auf das Opfer

o   Angststörungen

o   Panikattacken

o   Schulischer Leistungseinbruch

o   Sozialer Rückzug

o   Verschlossenheit

o   Einschlafprobleme, Schlafstörungen, Albträume

o   Nächtliches Weinen

o   Regression (Rückfall in kleinkindliche Verhaltensweisen)

o   Zwanghafte Handlungen

o   Depression

o   Nervosität und Gereiztheit

o   Aggressivität gegenüber jüngeren Geschwistern

o   Stress, innerer Druck/Anspannung

o   Bauchschmerzen

o   Verdauungsprobleme

o   Kreislaufprobleme

Meine Erfahrungen in der Arbeit mit „Opfer“

Aus meiner Erfahrung ist das Alter des Kindes, die Dauer und Intensität des Mobbings für den Krankheitsverlauf entscheidend. In der privaten Praxis habe ich immer wieder junge Erwachsene, die als Kinder und Jugendliche über mehrere Jahre in der Opferrolle waren. Häufig litten diese Menschen unter Angststörungen und Depressionen. Je ohnmächtiger und hilfloser sie sich als „Opfer“ fühlten, desto schwerwiegender waren die Belastungen (Traumatisierungen).

Die „Opfer“ berichten, dass Demütigungen vor der ganzen Klasse das Schlimmste war. Die Kinder haben das Gefühl, dass alle gegen sie sind und alle lachen, wenn sie wieder gedemütigt werden. Nicht weglaufen können, hilflos ausgeliefert sein, jeden Tag wieder hingehen müssen, in der Gewissheit und Angst, dass wieder etwas passieren wird, ist für die Betroffenen sehr schwer auszuhalten.

Durch das Mobbing entwickeln die Opfer manchmal seltsame Verhaltensweisen, mit denen sie die unhaltbare Situation zu kompensieren versuchen. Diese Versuche scheitern meist kläglich, dennoch stecken die jungen Menschen in diesem Muster fest.

Die MitläuferIn

Aktive und passive MitläuferInnen haben meist gar nichts gegen die gemobbte Person, greifen aber aus folgenden Gründen meist nicht ein:

o   Sie werden durch das Mobbing unterhalten: Die Übergriffe bieten eine nette Abwechslung zum Schulalltag, außerdem ist das ohnehin alles „nicht ernst gemeint".

o   Aus Angst, selbst Opfer zu werden: Beobachtet werden die Übergriffe eher mit Widerwillen als mit Wohlwollen. Doch aus Angst, selbst zum Mobbingopfer zu werden, hält man lieber den Mund.  

o   Aus Hilflosigkeit: Viele, vor allem passive MitläuferInnen, sind mit dem Mobbing
überfordert und schauen deswegen bewusst weg. Schuld ist dennoch ein Thema.

Je länger das Mobbing andauert, desto mehr sind die MitläuferInnen von der Schuld des Opfers überzeugt und stellen sich eher hinter den Täter/die Täterin.  

Der Täter/die Täterin

Aggression ist ein normaler Bestandteil menschlichen Daseins. Bei Mobbing planen die Täter gezielt einem anderen Kind Schmerzen zuzufügen, es zu demütigen und zu verletzen. Mobbing hat viel mehr mit der Persönlichkeit des Täters/der Täterin zu tun, als mit dem Verhalten des Opfers. Ich möchte nur einige Gründe dafür nennen:

o   Fehlende Vorbilder im Umgang mit Konflikten;

o   Gewalt wird im häuslichen Umfeld vorgelebt;

o   Fehlende Bewältigungsmechanismen im Umgang mit Frust und inneren Spannungen;

o   Mangelnde Empathie (z. B. durch Traumatisierungen, als Kind wenig Empathie erhalten,…);

o   Verwahrlosung (emotional);

o   verbringen viel Zeit vor dem Fernseher oder mit Computerspielen;

o   Unsicherheit (Das Kind versucht Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren.);

o   Mangelnde Selbstkontrolle.

Durch die Demütigungen des Opfers fühlen sich die Täter stark und versuchen dadurch ein Gefühl von Zufriedenheit und Sicherheit zu erlangen. Da Menschen soziale Wesen sind, können sie mit diesem Lebenskonzept nur scheitern. Aus meiner Sicht ist das oberflächliche Gefühl von Macht und Zufriedenheit nur von kurzer Dauer, darunter verbergen sich unangenehme Gefühle, die ihrerseits wieder Spannungen und Aggression erzeugen.

Mangelnde Bindungserfahrungen dieser Kinder werden in der Literatur oftmals als Ursache genannt. Unterschiedliche Verhaltensweisen zwischen sicher- und unsicher gebundenen Kindern können sein:

Kindergarten

Mit 10 Jahren

 

Konflikt

Spiel

Zwiespältige

Situation

Freude,

Kommunikation

sicher gebunden

bleiben realistisch, suchen

selbstständig nach Lösungen

mehr Fantasie,

Ausdauer,

erfindungsreicher,

höhere

Frustrationstoleranz

äußern sich

abwägender und

differenzierter

weniger Probleme mit

Gleichaltrigen,

realistische Zahl guter

FreundInnen

unsicher gebunden

ängstlich, aggressiv, brauchen

fast ständig Hilfe

häufig verärgert,

geringere Toleranz,

geben schnell auf

interpretieren diese

primär als aggressiv

weniger FreundInnen, viele

Probleme, unrealistisch

große Zahl bester

FreundInnen, sprechen

kaum über Gefühle

 

Meine Erfahrungen mit Tätern

In Einzelfällen war es den Tätern nicht bewusst, was sie durch ihre Handlungen anrichten. Oftmals handelt es sich, mit den Lebensumständen unzufriedene junge Menschen, die schulisch nicht wirklich erfolgreich sind, zu Hause selbst Probleme haben, keine klaren Ziele haben und das Unrecht nicht sehen konnten oder wollten. Die Täter haben wenig Motivation an der Situation etwas zu ändern. Einen Zugang zu ihnen erhält man eher, wenn man Interesse am Leben der Täter zeigt. Um eine Gruppe (Klasse) wieder gut führen zu können, müssen auch die Täter wieder in die Gruppe integriert werden.

Bei Mobbingverdacht

Wichtig ist es, Klarheit über die Situation zu bekommen. Eltern sollten, wenn sie den Verdacht haben, das Gespräch mit dem Kind suchen. Einige Anzeichen, die helfen können Mobbing beim Kind zu erkennen:

o   kommt bedrückt nach Hause oder wirkt häufig launisch und aggressiv (z. B. gegenüber Geschwistern); das Kind erscheint mutlos, depressiv, schüchtern, ängstlich, unsicher;

o   zeigt ungewöhnliche Verhaltensweisen (z. B. häufiger Rückzug ins Zimmer, ungewöhnlich hoher Medienkonsum); 

o   erhält keine Einladungen mehr zu Geburtstagsfeiern (und lädt auch selbst niemanden ein);

o   wirkt unsicher, das Selbstwertgefühl nimmt immer mehr ab (erkennbar z. B. an einem starken Abfall in den schulischen Leistungen);

o   zieht sich immer mehr in sich zurück, trifft sich nicht mehr mit FreundInnen (hat auch keine FreundInnen mehr in der Schule), hat kein Interesse mehr an Hobbys;

o   will nicht mehr in die Schule gehen, entwickelt Schulangst;

o   schwänzt, wenn der Leidensdruck sehr groß ist, vielleicht sogar die Schule;

o   will nicht mehr mit Bus oder Bahn zur Schule fahren (weil es dort schikaniert wird);

o   kommt häufig mit beschädigter Kleidung oder kaputten Schulsachen nach Hause; 

o   verliert angeblich immer wieder Geld (dieses wird gebraucht, um die Mobber zu bezahlen); (oder verliert auch andere persönliche Dinge, Schulsachen etc.; möglicherweise nimmt das Kind die Schuld auf sich, aber die Erklärungen sind nicht überzeugend; bittet zunehmend um Geld oder stiehlt dieses);

o   hat immer häufiger körperliche Beschwerden, z. B. Bauch- oder Kopfschmerzen. Meist treten die Symptome am Sonntag bzw. kurz vor Schulbeginn auf; (auch schläft oder isst das Kind schlecht);

o   klagt, dass niemand es mag, dass es gehänselt oder ausgelacht wird; 

o   kommt mit Verletzungen, Schürfwunden oder blauen Flecken nach Hause und gibt fadenscheinige oder nur unwillige Erklärungen dafür ab;

Mobbing ist kein Konflikt auf gleicher Augenhöhe. Das Kind ist ohne Schuld in diese Situation gekommen und kann sie alleine nicht lösen.

Warum wenden sich die Opfer nicht an Erwachsene?

o   es besteht die Angst, dass durch das Tun der Erwachsenen das Problem nicht gelöst wird, sondern sich verschlimmert (trifft leider häufig zu);

o   die Selbsteinschätzung der Kinder verändert sich, sie glauben, dass sie selbst dafür verantwortlich sind;

o   aus Angst durch das „Petzen“ den letzten Rückhalt zu verlieren;

o   aus Scham, gegenüber den MitschülerInnen, aber auch Eltern, noch mehr das Gesicht zu verlieren.

Fragen um mit dem Kind (Opfer?) ins Gespräch zu kommen:

Dabei ist eine ruhige Atmosphäre (kein Fernseher im Hintergrund) wichtig. Nehmen Sie sich Zeit und die Probleme des Kindes ernst. Bleiben Sie möglichst ruhig und gefasst. Vermeiden Sie einen vorwurfsvollen Ton. Bei Jungen kann es hilfreich sein, das Gespräch mit einer Aktivität zu verbinden.

o   Mit wem bist du/wärst du gern befreundet? Wen magst du nicht?

o   Gibt es in deiner Klasse Gruppen, die sich zusammentun? Gibt es Außenseiter? Zu welcher Gruppe gehörst du?

o   Wer ist Klassensprecher? Wer „bestimmt“ in der Klasse? Wie findest du diese Personen?

o   Kommt es manchmal zu Streitigkeiten und Beleidigungen? Sind immer die gleichen Kinder dabei? Was war die schlimmste Situation, an die du dich erinnerst? Erzähl mal!

o   Was für Dinge werden in der Klasse über einzelne Kinder geredet? Wird getratscht und hinter dem Rücken getuschelt?

o   Wer ist besonders gut in der Klasse? Sind die anderen neidisch darauf? Benutzen Sie die Worte wie „StreberIn“?

o   Was machen die anderen Kinder, was machst du, wenn es Konflikte oder Streit gibt?

o   Wenn du Probleme in der Schule hättest, wem würdest du davon erzählen?

o   Vertraust du deinen LehrerInnen? Kannst du auf sie zählen, wenn du Hilfe brauchst?

o   Hat dich schon mal jemand geschubst oder geschlagen?

o   Hast du schon mal jemanden geschubst oder geschlagen?

o   Wie „gerecht“ sind deine Lehrerinnen? Haben sie Lieblinge oder SchülerInnen, die sie nicht so mögen?

o   Was würdest du tun, wenn dir jemand droht?

Wenn sich der Verdacht bestätigt

Das Kind muss sich ernst genommen fühlen und wissen, dass es in der Familie Rückhalt erfährt. Auf jeden Fall sollten Sie Ihrem Kind am Anfang zu verstehen geben:

o   Jeder Mensch ist verantwortlich für sein Tun. Wer etwas Böses tut, ist allein dafür verantwortlich, auch wenn andere das Gleiche tun oder getan haben.

o   Alle Menschen verdienen Respekt – und niemand verdient es, gemobbt zu werden.

o   Es ist unfair, das Opfer zu beschuldigen.

o   Jeder Mensch hat das Recht, „nein“ / „stopp“ zu sagen und dies ist zu respektieren!

o   Die Frage, wer hat angefangen, spielt keine Rolle, weil jede Tat für sich steht. Ein Unrecht bleibt Unrecht, auch wenn die andere Seite zuvor ähnlich gehandelt hat.

o   Rache (für erlittenes Unrecht) führt nur zu neuer Gewalt.

o   Du bist nicht allein! Täglich werden viele Kinder gemobbt. Die Tatsache, dass es nicht das erste Mobbingopfer ist, sondern es ganz viele gibt, ist für das Kind entlastend.

o   Es passiert ganz unterschiedlichen Kindern.

o   Auch starke, selbstsichere Kinder können durch Mobbing „schwach“ gemacht werden.

o   Es ist normal, dass man sich unsicher und schlecht fühlt, wenn man gemobbt wird. Das geht allen Betroffenen so.

o   Du bist nicht Schuld! Kinder mobben, weil sie neidisch sind, weil sie herrschen wollen u. a. Es gibt viele Gründe, aber diese haben nichts mit dir zu tun. Wenn du nicht da wärst, wäre ein anderes Kind dran gekommen!

o   Du hast es nicht verdient, gemobbt zu werden. Niemand hat das verdient.

o   Mobbing ist etwas Schreckliches und es ist sehr schwer, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Man schafft es fast nie allein.

o   Es tut mir leid, dass du so etwas erleben musst!

o   So etwas hätte nicht passieren dürfen!

o   Ich möchte wissen, wie es dir geht, damit ich versuchen kann, dir zu helfen.

o   Ich werde keine Mühen scheuen, dir beizustehen.

o   Wir werden zusammen einen Weg aus dem Dilemma finden.

Sprechen Sie alle Schritte, die Sie setzen mit dem Kind ab, machen Sie nichts gegen den Willen des Kindes.

Ich empfehle den Kindern ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Dadurch erhalten wir gemeinsam einen Überblick über Häufigkeit, Ausmaß und Ablauf des Mobbings. Es wird klar, wie das Mobbing abläuft und wer beteiligt ist. Es ist wichtig, dass das Tagebuch sehr exakt geführt wird, da es auch die Grundlage für Systemveränderungen ist.

Folgende Informationen sind wichtig.

 

Datum:                                Uhrzeit:                                Ort:

 

-       Das ist passiert:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-       Diese Personen waren die Mobber:

 

 

 

 

 

-       Diese Personen haben den Vorfall mit angesehen:

 

 

 

-       Der Vorfall hatte diese Folgen:

 

 

 

-       Meine Reaktion:

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man andere Eltern und Kinder aus der Klasse gut kennt, kann es auch hilfreich sein, diese zu fragen, wie sie die Situationen sehen und erleben.

Was Sie als Eltern unterlassen sollten

Vermeiden Sie im Gespräch mit den Mobbern oder deren Eltern einen Konfrontationskurs und Anklagen. Schuldzuweisungen oder Angriffe führen nicht weiter (Strafe, Demütigung oder Rache sollte nicht das Ziel sein). Gespräche haben am ehesten Aussicht auf Erfolg, wenn das Thema, um das es geht, neutral formuliert wird, und wenn Sie signalisieren, dass Sie eine für alle passende Lösung suchen.

Gesprächsformulierungen:

 

Nicht empfehlenswert

 

Besser

 

„Ihr Kind haut immer mein Kind.“

„Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen unseren Kindern.“

„….. ist gemein/böse.“

„….. tut Dinge, die andere Kinder verletzen.“

„Ihr Kind mobbt die anderen/ist ein Tyrann.“

„Die anderen Kinder fühlen sich von …. Handlungen gemobbt.“

„Man sollte …. von der Schule weisen!“

„Was können wir tun?“

 

 

Dem Opfer zu sagen, es soll sich wehren, ist keine gute Idee. Das Ungleichgewicht macht dies unmöglich, und das Kind fühlt sich dadurch noch schlechter.  

Gleiches mit Gleichem zu vergelten führt nicht zum Erfolg.

Sich-Freikaufen von den TäterInnen (Geld, Süßigkeiten, Hausaufgaben) funktioniert überhaupt nicht, dadurch würden sich die TäterInnen belohnt fühlen und noch mehr fordern.

Die MobberInnen sollten letztlich nicht „zur Rede gestellt“ werden, sondern vielmehr sollten sie über das Mobbing informiert und es muss ihnen die Gelegenheit gegeben werden, ihre Taten einmal aus der Perspektive der Betroffenen zu überdenken.

Die Bereitschaft zur Entschuldigung oder Wiedergutmachung wäre sicherlich ein Zeichen dafür, dass der Mobber/die Mobberin wirkliches Einsehen hat, allerdings sollte er/sie dazu nicht gezwungen werden. Gute Erfahrungen habe ich mit Ausgleichshandlungen zur „Wiedergutmachung“ gemacht. Eine Entschuldigung ohne Bedauern ist nutzlos.

Ein Schulwechsel kann nur der letzte Schritt sein, das Opfer muss gehen und wird dadurch nochmals bestraft. Für den Täter/die Täterin wäre dies ein Sieg. TäterIn und Opfer haben daraus nichts gelernt, und es besteht die Gefahr, dass sich ihre destruktiven Verhaltensweisen verfestigen (das Mobbing geht auf beiden Seiten weiter). Es ist für das Opfer nicht einfach sich in eine neue Klassengemeinschaft einzufinden, auch der Unterrichtsstoff wird verändert sein. Ein natürlicher Schulübergang sollte für Veränderungen jedoch genutzt werden.

Das Opfer professionell coachen und stärken (Therapie, Beratung) ist aus meiner Erfahrung erst dann sinnvoll, wenn das Mobbing bereits beendet wurde.

Das Mobbing beenden

Mobbing kann nur dort beendet werden, wo es stattfindet. Wenn diese Verletzungen in der Schule stattfinden, kann dies in den allermeisten Fällen nur in der Schule gelöst werden. Aber auch hier gilt, je mehr Personen unterstützen, desto schneller und nachhaltiger sind die Veränderung.

Akute Hilfsmaßnahmen

Sollen für eine schnelle Entlastung sorgen. Als Beispiele seien genannt:

o   Gibt es einen Ort, an dem das Kind sicher ist, sich zurückziehen kann (z. B. in den Pausen). Dies kann nur eine Übergangslösung sein, da sich das Kind dadurch noch weiter von der Gemeinschaft entfernt.

o   Gibt es vertraute Personen am Ort des Geschehens, die man um Unterstützung bitten kann? Dies können Kinder als auch Lehrpersonal sein.

o   Kann der Schulweg so organisiert werden, dass auf diesem nichts mehr passieren kann? (z. B. anderer Bus, abgeholt werden, früher entlassen werden,…)

o   Gibt es einen guten Kontakt zu älteren Kindern, die eine Schutzfunktion übernehmen können?

o   Gibt es in der Gemeinschaft Personen, in deren Nähe das Kind sicher vor Übergriffen ist?

Was Eltern tun können

o   Emotionale Sicherheit und Anregung geben;

o   Grenzen setzen und Frustrationen erleben lassen;

o   das Selbstbewusstsein stärken und dabei realistisch bleiben;

o   die Gefühle des Kindes wahrnehmen;

o   dich Zeit für (positive) Gespräche nehmen;

o   Interesse an seiner Entwicklung zeigen:

o   Konflikte für Klärungsgespräche nutzen;

o   mit FreundInnen, anderen Eltern, den Unterrichtenden das Gespräch suchen;

o   positiven Ausgleich schaffen (mit dem Kind Sport machen, ins Kino gehen, schöne Dinge unternehmen);

o   soziale Kontakte außerhalb des Problembereiches fördern;

o   bei unlösbar erscheinenden Problemen rechtzeitig professionelle Hilfe suchen.

Dem Kind Lebensräume schaffen, in denen es positive Erfahrungen machen kann.

o   Fördern sie die Stärken den Kindes;

o   unterstützen Sie soziale Kontakt zu Gleichaltrigen;

o   suchen Sie Spezielle Kurse oder Gemeinschaften, in denen das Kind seine Interessen gemeinsam mit Gleichaltrigen verfolgen kann;

o   Freundschaften und Beziehungen zu vertrauten Personen sind für das Kind hilfreich;

o   auf eine gute Haltung und feste Stimme achten;

o   Yoga und Kampfsportarten bewirken auch eine bessere Körperkontrolle und stärken so das Selbstbewusstsein;

o   spezielle Vereine mit guter Begleitung durch Erwachsene, in denen das Gemeinsame im Vordergrund steht, wie Bogenschießen, Kanufahren u. a. Sportvereine sind oft nicht geeignet, weil hier das Leistungsprinzip im Vordergrund steht.

Polizei, Rechtsanwalt

Das Einschalten der Polizei oder eines Rechtsanwaltes ist nur in Ausnahmefällen zu empfehlen. Wägen Sie bitte vorher ab, welche Folgen dieser Schritt für ihr Kind in der Klasse, in der Schule hat. Für diesen Schritt ist eine genaue Dokumentation notwendig.

Im Kontakt mit der Schule

Ansprechpartner sind in erster Linie die Klassenvorstände. Sind diese untätig, sollte das Gespräch mit BeratungslehrerInnen und DirektorInnen gesucht werden. Vermeiden Sie Vorwürfe gegenüber der Schule, die Kooperation ist wichtig. Bleiben Sie sachlich (z. B. Fakten aus dem Mobbingtagebuch) und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Vereinbaren Sie regelmäßige Rückmeldungen. Achten Sie darauf, dass die Handlungen zeitnah erfolgen.

Was die Schule tun kann

Akute Hilfe

o   Sofort eingreifen und Mobbing schnellstens beenden!

o   Klarstellen: Gewalt und Mobbing sind nicht in Ordnung!

o   Die Aufmerksamkeit gilt dem Opfer, nicht dem Täter (Schuldfrage vermeiden!)

o   Wenn nötig, weitere Hilfe holen (Notarzt).

o   Sich merken, wer/wo/was gesehen hat oder gleich notieren.

Wenn ein unbeteiligtes Kind über Mobbing berichtet

Fragen stellen:

o   Was genau ist passiert?

o   Wer macht mit?

o   Wer versucht zu helfen?

o   Wer weiß Bescheid?

o   Welche Gründe gibt es für die anderen, mitzumachen?

o   Notizen machen!

Ev. versprechen, Informanten nicht zu nennen, aber über nächste Schritte nachzudenken.

Maßnahmen gegen das Mobbing seitens der Schule

o   Das Thema Mobbing thematisieren und Kinder dafür sensibilisieren;

o   mit allen Kindern gemeinsam nach einer Lösung suchen;

o   klare Regeln des Umgang miteinander aufstellen und deren Einhaltung überwachen;

o   das Selbstvertrauen des Opfers stärken;

o   LehrerInnen können Einzelgespräche mit Tätern und Mitläufern führen;

o   ein Schutzteam aufstellen;

o   ein Rückmeldesystem einführen;

o   jeden Vorfall besprechen und klären;

o   alle LehrerInnen ins Boot holen (alle treten gegen diese Verhaltensweisen auf);

o   mit den Eltern der Beteiligten sprechen;

o   einen Elternabend einberufen;

o   Workshops und Vorträge zu diesem Thema organisieren;

o   Unterstützungssysteme aktivieren.

Gespräch mit dem „Opfer“

o   Behutsam vorgehen (Scham, Angst), Verständnis zeigen;

o   zu nichts drängen (z. B. Gegenüberstellung);

o   Warum-Fragen vermeiden! („Warum hast du niemandem etwas gesagt?“);

o   Erklären, dass Mobbing gemein ist und unverdient (aber nicht den Täter direkt verurteilen);

o   Informationen sammeln: Wer? Wie? Wann? Möglichst mindestens eine konkrete Mobbing-Handlung mit genauer Zeitangabe und Zeugen notieren. Notizen machen;

o   überlegen, wer noch informiert werden sollte (andere Eltern, Lehrer);

o   Situation analysieren, Ziele formulieren;

o   Opfer für die Kooperation danken (wichtig!), besprechen, wie es weitergehen soll.

Gespräch mit Tätern (und „Mitläufern) – am besten mit dem Lehrer/der Lehrerin

o   Das Problem neutral darlegen („Wir haben gehört, dass es Schwierigkeiten zwischen dir und Max gibt. Kannst du mir erzählen, was da los ist?)

o   Wenn der Täter Verantwortung übernimmt: Kompensation überlegen. „Rückweg“ anbieten.

o   Wenn der Täter leugnet: mit den vorliegenden Fakten konfrontieren: „Das ist sehr schlimm! Wir nennen das Mobbing. So etwas darf auf keinen Fall noch einmal vorkommen! Hast du das verstanden?“

Schlusswort

Wenn das Mobbing beendet ist, muss darauf geachtet werden, dass es nicht wieder schleichend beginnt. Hervorheben, dass das Kind diese schwierige Situation gut geschafft hat. Sollte das Opfer über einen längeren Zeitraum in dieser Rolle gewesen sein, muss aus meiner Sicht an den belastenden Gefühlen gearbeitet werden (professionelle Hilfe). Diese Ängste werden sonst mitgenommen. Es besteht auch die Gefahr, dass das Kind in einer anderen Gemeinschaft wieder in diese Rolle verfällt.

Eines ist sicher, wenn das Mobbing gut gelöst ist, wird es allen in der Gemeinschaft besser gehen!!

 

Interessante Links zum Thema Mobbing:

http://gewaltpraevention.tsn.at/node/16

http://www.fgoe.org/presse-publikationen/downloads/wissen/mobbing-leitfaden-zur-pravention-und-intervention/2012-10-03.9473359629

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOBBING/Begriffe.shtml

https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/ba/gewaltpraevention_18507.pdf?4dzgm2

http://www.schulpsychologie.at/gewaltpraevention/mobbing/